Caspar Kratsch, der sogenannte "Vizegott" war einer, dem alles gelang. Er steht für die Blütezeit der Bauern im Altenburger Land. Seine Gaststätte Rosengarten Rolika war der Treffpunkt der Region, der Heiratsmarkt, der Ort an dem Schulungen organisiert und durchgeführt und Hintergründe diskutiert wurden. Ein Stipendium der Kulturstiftung Thüringen ermöglichte mir 2024 die Arbeit an einer grossen Malerei (Öl auf Leinwand, 340 x 185 cm) mit dem Titel "Gruss an den Vizegott durch die Jahrhunderte hinweg-DER ROSENGARTEN ROLIKA"
Auszüge aus: Caspar Kratsch und der Rosengarten zu Rolika , Sonderdruck aus den Altenburger Heimatblättern Nr. 6, 1934 , von Helmut Fischer, Altenburg
Alles konnte er und alles wußte er, der Vizegott von Rolika, und was er begann, gestaltete er aus im Laufe seines vom Glück gesegneten Lebens.
Der Vizegott.
Caspar Kratsch, der „Vizegott von Rolika", konnte alles und machte alles. Er okulierte Rosen, organisierte die Jagden, sammelte Geweihe und Vögel, stopfte sie auch selbst aus, war Fischhändler, dressierte Hunde, legte den Rosengarten und Gewächshäuser an, kurz: was er in Angriff nahm, gelang ihm.
Als Jäger und Jagdmeister war er gleich berühmt. Er hatte die Jagd des Kirchpiels Dobitschen gepachtet. Zu den großen Veranstaltungen lud er seine Freunde ein. Da ging es dann immer lustig zu. Zwölf Schulbuben wurden mitgenommen. Einer von ihnen, der jüngst verstorbene Tischlermeister Kirmse aus Dobitschen, erinnerte sich noch kurz vor seinem Tode gern daran. Die Jungens bekamen von Caspar Quarksladen und außerdem 30 Pfennige. Das war damals viel Geld. Sie halfen beim Treiben, und wenn sonst etwas zu besorgen war, taten sie das auch. Wenn die Herrschaften zum Frühstück rasteten, machte der kleine Kirmse den Mundschenk. Das sind schöne Erlebnisse, wenn man sich so daran erinnert!"
sagte der alte Herr, der auch den Namen „Der Vizegott" für Caspar erfunden hat.
1850 hatte Caspar den Rosen-Garten angelegt. Zwischen vierzehn Reihen buchsbaumumsäumter Rosenbeete bepflanzte er zwei runde und ein sternförmiges Beet mit dreihundert Arten seltener Kakteen. Zur Zeit der Rosenblüte aber ging es hoch her in Rolika. In den Schatten treten all die Sackhüpfen, Kuchen- schmäuse und Rosenfeste, wie sie seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts überall auf dem Lande gefeiert wurden, neben dem Glanz der Rolikaer Rosenfeste. Vom Jahr 1855 an wurden sie regelmäßig zur Zeit der Rosenblüte wiederholt und ihr Ruf breitete sich Jahr für Jahr weiter aus. Anfangs genügte ein Sonntag, bald mußte dann der Donnerstag hinzugenommen werden. Noch später wurden die Feste an zwei oder drei Sonntagen, hintereinander wiederholt. Aus nah und fern kamen die Kutschen angerollt. Unzählige Menschen trafen sich im schattigen Garten zum Frühschoppen, zum Mittagsmahl, zum Kaffee und zum Abendbrot. Konzerte sorgten für Unterhaltung und am Abend drehte sich alles zum Tanz. „Frohlocken und Jubel und Freude durchströmte den festlichen Saal! Denn wundervoll grüßt sie uns heute, die Ros' aus dem Blätterpokal", also heißt es in einem Gedicht, „Die Rose" betitelt, das nach der Melodie „Wir sitzen so fröhlich beisammen" zum Rolikaer Rosenfeste gesungen wurde.
Die riesige Zahl blühender, duftender Rosen wurde von allen bestaunt. Zierliche Moosrosen, Hängerosen, Teerosen und Nelkenrosen mischten sich in Farbe und Duft. Da gab es gelbe und purpurne, matte und glühende Rosen, schattierte und ziegelfarbige, kupfrige und schwärzliche. Die eine glich einer Tulpe, eine andere hatte lange rankenartige Zweige. Der Duft der einen war herb, der der anderen mild- süß, aller Duft aber fein und und angenehm. Stolze Blüten entfalteten sich unter der großen Fülle, so blühte die weiße Prinzeß Vera. Kupfriggelb war ihr Grund, Wie ein Becher war die Constantin Petriakoff geformt. Sie leuchtete prächtig. Schwer duftete die Evéque de luxembourg. Violette und braunrote Töne belebten ihre dunkelpurpurne Farbe. Daneben entfalteten sich die volle rote Madame Thevenot, die runde Prinzesse Charlotte de la Tremouille, die blendend weiße Madame François Bittet und unzählige andere.
Kein Wunder war es daher, daß sich immer Blumenfreunde nach Rolika hingezogen fühlten. In immer längeren Reihen fuhren die Wagen vor. Ganz Rolika wurde in Aufregung versetzt. Die Bauern räumten ihre Scheunen aus. Sie mußten als Ausspannung dienen. Das Trinkgeld bekamen die Schirrmeister. Die Kinder aus der ganzen Umgegend standen vor dem Gasthof und sahen sich die Augen aus dem Kopf, bewunderten die feinen Kutschen, staunten über die geschmackvollen Geschirre, redeten wie Alte über die edlen und schweren Pferde und gafften die geputzen Leute an, die sich aus den Kutschen herauspressten und von Caspar freundlich begrüßt wurden. „Ganz guten Tag!" stieß er heraus. Ganz guten Tag!" wiederholte er. „Tag, Caspar!" antworteten ihm die Herrschaften. „Gehorsamster Diener!" sagte er dann wohl und zog seine Kappe. Lebhaft glitten seine schönen Augen über die Gäste. Er war ein großer, schlanker Mann.
Immer trug er Altenburger Tracht. Meist war er in Hemdsärmeln. In seinen weiten Hosen und dem langen, schwarzen Rod sah er besonders gut aus. In späteren Jahren trug er immer dieselbe Mütze. Zu seinem Geburtstag 1865 hatte er sie mit einem Gedicht geschenkt bekommen.
Wenn sich dann die Gäste im Garten erfrischten, wenn sie sich die Rosen besschauten, wenn sie ihr fröhliches Wesen trieben, war Caspar immer unter ihnen. Er hatte für alle ein passendes Wort, wußte jedem eine Antwort, einen Witz. Herzog und Minister und jeden einfachen Mann aus dem Volke wußte er gleichermaßen zu unterhalten. Mit großer Ruhe und großem Geschick bewältigte er die ungeheure Arbeit, die ihm die Rosenfeste bereiteten. Von ihrer Größe und Bedeutung kann man sich heute gar keine rechte Vorstellung mehr machen. Der Zulauf an den Festtagen war so stark, daß Caspar sich allen Ernstes überlegte, ob er nicht die Feste überhaupt einstellen sollte. Er konnte die Arbeit kaum schaffen. Schon zu einem der Rosenfeste der Anfangszeit 1863 wurden am Donnerstag 428 Portionen Kaffee, 425 Portionen Essen aus gegeben. Am Büfett wurde für 52 Taler verkauft. Neun Maß Kuchen (ein Zentner und zwölfeinhalb Pfund) wurden verzehrt. Am Sonntag darauf wurden 505 Tanzbändchen angebunden, 550 Personen gespeist, 600 Portionen Kaffee ausgegeben. Das Büfett brachte hundert Taler ein. Wieder wurde mehr als ein Zentner Kuchen verbraucht.
7. Caspars Lebensabend.
Caspar wurde alt. 1875 übergab er die Wirtschaft seinem ältesten Sohne Julius. Dieser heiratete noch im selben Jahr. Auguste geb. Zichirpe aus Zagkwiz wurde seine Frau. Caspar zog sich aufs Altenteil zurück. Sein Gustchen hatte ihm sechs Kinder geboren, und zwar zwei Söhne und vier Töchter. Zwei Kinder waren schon jung gestorben. Die Ehe war eine sehr glückliche gewesen. Freud und Leid hatten Frau und Mann gemeinsam getragen. Beide sorgten umeinander. Gustchen hatte oft Angst, wenn Caspar in ihren Augen allzu leichtsinnig war. Caspar hatte Gustchen viel zu verdanken. Er sorgte dafür, dass Gäste kamen, sie sorgte dafür, daß es ihnen schmeckte. In gemeinsamer Arbeit hatte so das Paar die Wirtschaft zum Blühen gebracht. Nun konnten sie auf ein langes, arbeitsreiches und erfolgreiches Leben zurückschauen. Justine Kratsch, Caspar Kratschs Ehefrau (1815-1884) Am 20. Mai 1883 starb der Siebzigjährige
Anerkennug zollte die „Altenburger Zeitung für Stadt und Land" dem Verschiedenen: „Am Trinitatissonntage hat der Tod einen Mann abgerufen, der sich der allgemeinsten Beliebtheit bei Hohen und Niederen erfreute, den Gartens und Gasthofsbesizer Caspar Kratsch in Rolika, Der reizende Garten, der namentlich zur Zeit der Rosenblüte die Naturs und Blumen freunde aus der Nähe und Ferne nach Rolika lockt, ist seine Schöpfung. Wiewohl nicht gelernter Gärtner, hat Kratsch es verstanden, seiner Rosenzucht einen Ruf zu erwerben, der weit über die Grenzen der engeren Heimat hinausgeht. Alles, was er war, ist er durch eigenes Nachdenken und Streben geworden.Ein begeisterter und unermüdlicher Waidmann, hatte er ein sinniges Interesse für alles Lebendige in Wald und Flur, das er auch durch eine reiche, selbstgeschaffene Sammlung ausgestopfter Vögel und interessanter Säugetiere betätigt hat. Als Wirt und Gastfreund gewann er aller Herzen durch ein anspruchsloses, leut seliges Wesen und durch die wohltuende, heitere Freundlichkeit, mit welcher er jedem Besucher seines kleinen Paradieses entgegenkam. Er konnte als einer der intelligentesten und originellsten Vertreter des in seiner ursprünglichen Eigentümlichkeit immer mehr verschwindenden echten Altenburger Bauernstandes angesehen werden, wie er auch zu den wenigen gehörte, welche an der Tracht und den einfachen Sitten der Vorfahren festhalten. In seinem Rosengarten hat er sich ein blühendes Denkmal seines achtungswerten Strebens geschaffen, das Andenken an seine liebenswürdige Persönlichkeit wird allen, die ihm näher getreten sind, in allen Ehren bleiben."
Caspar Kratsch, der Rosencaspar, der Vizegott von Rolika, der Rolfsche Vogelkenner, ist nun schon 141 Jahre tot. Das aber, was er geschaffen hat, wird noch lange Zeiten immer neue Geschlechter erfreuen und sie an ihn erinnern, als an einen der würdigsten und volkstümlichsten Vertreter des Altenburger Bauerngeschlechtes.